Wunderschöner Saisonstart bei den Klassischen Konzerten: Johann Caspar Wedell und Julius Schepansky zelebrierten „Un voyage français“
Wenn man schon nicht nach Frankreich reisen darf und auch französische Künstler nicht nach Deutschland – wie das zum Saisonauftakt der Mosbacher Klassischen Konzerte erwartete Ensemble „Les inattendus“ –, so vermag doch die Musik alle Grenzen zu überwinden. Nachdem das französische Duo, bestehend aus der Gambistin Marianne Muller und dem Akkordeonisten Vincent Lhermet, kurzfristig nicht hatte anreisen können, war es Gastgeber Christof Roos von der Konzertgemeinde gelungen, zwei junge Musiker aus Deutschland für das erste Konzert der neuen Saison 2020/21 zu gewinnen: Julius Schepansky (Akkordeon) und Johann Caspar Wedell (Violoncello) haben sich mit ihrem Können bereits in die „Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler(innen)“ gespielt und sorgten in der Alten Mälzerei für einen grandiosen Auftakt, der die Zuhörer begeisterte und einen kleinen musikalischen Gruß über den Rhein schickte.
Ein bisschen komisch ist es vielleicht schon, vor lückig besetzten Publikumsreihen zu spielen, aber die Fans der Klassischen Konzerte sind heilfroh, dass die Reihe überhaupt starten durfte und nehmen die Einschränkungen gerne in Kauf. Das Eröffnungskonzert wurde in Form von zwei identischen Konzerten nacheinander veranstaltet. Obwohl die beiden jungen Musiker um 20 Uhr bereits ein Konzert hinter sich hatten, war ihre Konzentration und Spielfreude auch im zweiten Auftritt beeindruckend präsent, die Stimmung gelöst und locker.
„Un voyage français“ haben Johann Caspar Wedell und Julius Schepansky ihr Duo-Programm übertitelt, das französische Musik von der Barockzeit über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert umfasste. Einer der frühesten Komponisten für das Violoncello in Frankreich war der Cellovirtuose Jean- Baptiste Barrière (1707-1747). Ihm gelang es mit seinen Sonaten, sein Instrument aus dem Schatten der damals noch verbreiteten Viola da Gamba zu holen und es als Soloinstrument zu etablieren. Ungewohnt, den Basso continuo einmal von einem Akkordeon gespielt zu hören, aber durchaus interessant! Denn die Klangfarben der beiden Instrumente verschmelzen auf ganz neue Art miteinander, inniger als das mit dem sonst üblichen Cembalo möglich wäre. Leichtfüßig, schon beinahe in Richtung Frühklassik zielend der erste Satz, danach eine anmutig-cantable Aria und ein knackiger Finalsatz, bei dem der Cellist ein wahres virtuoses Feuerwerk entfesselte. Eindrucksvoll, wie filigran der groß gewachsene Johann Caspar Wedell zu Werke ging auf seinem Vuillaume-Cello aus dem 19. Jahrhundert.
Unglaublich flink und präzise war sein Spiel in den schnellen Sätzen, wo jede Bewegung zuviel nur Tempo gekostet hätte und voller zartem baritonalem Melos und wohlportionierter Dramatik in den langsamen. Julius Schepansky, der bei den beiden barocken Sonaten seinem Cellopartner dezent die Hauptrolle überließ, glänzte dann vor allem in den romantischen und modernen Stücken. Der Akkordeonist, der u.a. auch als Jazzpianist mit eigenen Bands unterwegs ist, hat keinerlei Berührungsängste, Stücke von unterschiedlichen Besetzungen für Akkordeon neu zu arrangieren. Hier schien das absolut überzeugend zu funktionieren, zuerst in „Pièce op. 39“, einem zarten romantischen Lied ohne Worte von Ernest Chausson (1855- 1899), und später auch beim „Lied No 19“ von Vincent d’Indy (1851-1931) und dem grandiosen „Après un rêve“ von Gabriel Fauré (1845-1924), bei denen beide einen feinen Schmelz in ihren Ton legten und für atemlose Stille im Publikum sorgten.
Eine melancholische Reminiszenz an den unvergessenen Charles Aznavour (1924-2018) folgte mit „La Bohème“, bevor das Programm mit drei wunderschönen Stücken von Nadja Boulanger (1887- 1979), einer der Ikonen der französischen Moderne, zu Ende ging. Als Zugabe hatten die beiden Musiker noch eine eigene Version von Ravels berühmter „Habanera“ im Gepäck, die passend mit einem fadeout des Bühnenlichts ausklang.