Saison-Auftaktkonzert der Mosbacher Klassischen Konzerte – 400 Zuhörer feierten das Sinfonieorchester Karlsbad und den 13-jährigen Pianisten Justus Eichhorn in der Alten Mälzerei.
„Behaltet den Mann im Auge, der wird eines Tages in der Welt von sich reden machen.“ Diesen weitsichtigen Ratschlag schrieb Mozart, als er den 17-jährigen Beethoven gehört hatte. Ähnlich mag es am Samstag vielen der 400 Gäste in der Alten Mälzerei gegangen sein. Das Auftaktkonzert der Reihe „Mosbacher Klassische Konzerte“ bestritt nämlich das Sinfonieorchester Karlsbad (heute: Karlovy Vary in Tschechien). Als zupackender Solist am Flügel spielte der 13-jährige Justus Eichhorn passenderweise Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll (1803). Das Programm huldigte darüber hinaus den beiden Gründervätern der tschechischen Nationalmusik. Von Bedřich Smetana erklang die Ouvertüre zur Oper „Die verkaufte Braut“ (1866), von Antonín Dvořák die Sinfonie Nr. 6 D-Dur (1880). Das Publikum zeigte sich gleichermaßen begeistert vom jungen Solisten sowie dem Ensemble und applaudierte entsprechend lautstark. Folgerichtig ging Justus Eichhorn in die Verlängerung und spielte solo Eric Saties erste „Gnossienne“ sowie einen selbstkomponierten „Pop-Song“.
„Die Musik war einfach zündend und die Ouvertüre ist besonders aufmüpfig. Sie bildete eine Art Fanal, mit dem sich die Tschechen freischwimmen wollten.“ So charakterisierte Christof Roos, umtriebiger Organisator der Konzertreihe, in seiner proppenvollen Konzerteinführung Smetanas Werk. Aus dem zur Habsburger Doppelmonarchie zählenden Land entwickelte sich im Paris des 19. Jahrhunderts gar der schillernde Begriff der Bohème. „Das ist, wenn der Kamm auf der Butter liegt“, scherzte Roos. „Das phantastische Vaterland der Künstler und Epikureer“, sah dagegen der französische Autor Adolphe Caillé darin. Passend zum Saisonstart „rockten“ die Musiker die Ouvertüre vom Fleck weg. Die Geigenläufe flirrten, wie später die Stromschnellen. Der Sound der Karlsbader war opulent, warm und harmonisch, das Tempo mitunter halsbrecherisch. Dirigent Mário Košik konnte die Dynamikschraube äußerst fein bedienen. Er lieferte seinen Musikern stets klare Signale und hatte seinen Blick dabei überall. Mitunter verschoss er gar blitzende Pfeile. Zwitscherten eben noch die Bläser auf lyrische Weise, so rauschte schon nach wenigen Minuten die finale Klimax durch den Äther.
In Lackschuhen, aber eine Reißverschluss-Jacke statt eines Fracks tragend, setzte sich Justus Eichhorn an den Flügel. Im Publikum wusste er nicht nur seinen Vater, sondern auch seine Großeltern. Die Anwesenheit des badischen Prinzenpaares erklärte sich auch damit, dass Vater Friedemann nicht nur Violine spielt, sondern vor einigen Jahren als Intendant der Zwingenberger Schlossfestspiele wirkte. Aber selbst für Organisator Roos bildete dieser Kontext eine echte Überraschung. Er hatte seinerzeit lediglich ein Klavierkonzert angefragt.
Wild entschlossen hieb Justus Eichhorn bereits das erste Motiv des „aufmüpfigen“ Allegro-con-brio-Satzes in die Tasten. Etwas katzenartiges umspielte seine profund angelegte Spielweise, den ganzen Körper bezog der junge Mann als Instrument mit ein, tanzte im Sitzen, wippte im Takt der Musik, kreiselte mit dem gesamten Körper, warf die lange Künstlermähne brüsk zurück. Fugenlos verzahnt agierte das Ensemble, changierte gekonnt zwischen „leicht“ und „heftig“. Sehnsuchtsvoller Gesang dominiert im Largo-Satz Beethovens. Geradezu betörend setzte ihn Eichhorn um, kombinierte expressive Klangfarben mit Tiefgang und einer großen Portion Pathos. Nach dieser körperbetonten Elegie wirkte das „Rondo. Allegro“ geradezu konventionell. Doch hatte Košik noch einige Feuerwehrraketen in der Hinterhand. „Erwachsen und so frisch“, lautete ein begeistertes Resümee nach den Zugaben.
An nationalen Ressentiments scheiterte die geplante Uraufführung von Dvořáks sechster Sinfonie bei den Wiener Philharmonikern. Der Uraufführung in Prag folgten Aufführungen in London und New York, wohin der Komponist auch später als Dozent reiste – und die Welt mit der „Sinfonie aus der Neuen Welt“ beglückte. Den ersten Satz präsentierte das Orchester nahezu tastend. Das „Allegro non tanto“ entwickelte sich vielschichtig, verteilte die Stimmen in Raum, ließ sie zueinander finden, weiterspringen und mäandern. Das Klangbild fächerte sich raffiniert auf wie impressionistisches Laubwerk. Das Adagio bot „Gesang“, so sanft wie eine aufgehende Sonne. Herbstliche Wehmut lag da in der Luft. Das Kontrastprogramm hatte der Komponist in den böhmisch-tschechischen Scherzo-Satz verlegt. Furiant lautete der Name des flotten Volkstanzes, der seine Fantasie dabei beflügelte. Allerdings gemahnte die Musik über weite Strecken eher an ein beschwingtes Elfenrondo als an einen wilden Bauerntanz. Genau da, wo der Furiant endete, machte das Finale weiter: Das Allegro con spirito aktivierte die Bläsersätze und schuf eine wogende Grundstimmung – inklusive bombastischer Einsprengsel. Mitreißend steigerte sich der „Rausschmeißer“ bis zum letzten Paukenschlag. Auf Applaus und Jubelrufe reagierten die Musiker, indem sie einander die Hände schüttelten.