Unerwartet, ungewöhnlich, unterhaltsam - Konzertgemeinde Mosbach e.V.

Unerwartet, ungewöhnlich, unterhaltsam

les inattendusAus der Frühzeit der europäischen Musik: Französisches Duo eröffnete die „Mosbacher Klassischen Konzerte“. Noch selten wagten sich die „Mosbacher Klassischen Konzerte“ in die Zeit vor Bach, sozusagen in die Frühzeit der europäischen Musik.

Das mit ungewöhnlicher Besetzung aufwartende französische Duo „Les inAttendus“ (Deutsch: „Die Unerwarteten“) präsentierte nun zur Eröffnung der neuen Saison ein Programm, das mit dem 1510 geborenen Diego Ortiz begann und mit dem 1741 gestorbenen Antonio Vivaldi endete. Rund zwei Jahrhunderte klingende Musikgeschichte taten sich da vor den Ohren des Publikums auf. Dass dabei ein veritables Instrument der Renaissance und des Barock, nämlich die Gambe, mit dem erst im 19. Jahrhundert „geborenen“ Akkordeon eine Verbindung einging, hatte seinen ganz besonderen Reiz.

Marianne Muller, aus der Schule des Gamben-Altmeisters Wieland Kuijken hervorgegangen und Professorin an der Musikhochschule Lyon, hatte sich 2016 mit dem auch in zeitgenössischer Musik viel bewanderten Akkordeonisten Vincent Lhermet zusammengetan, um barocke Musik in eigenen Arrangements auf die Bühne und auf CD zu bringen. Wer daran gezweifelt hatte, dass sich diese so verschiedenen Instrumente vertragen würden, wurde sogleich eines Besseren belehrt: Der feine, gleichwohl durchdringende Klang der Gambe verschmolz bestens mit den luftigen Klängen, die die Metallblättchen des Akkordeons hervorbringen.

Mit einer „Recercada“, wörtlich einem „Suche-Stück“ des Spaniers Ortiz begann die Gambe solistisch, gleichsam den Umfang ihrer sechs Saiten ausprobierend, bevor sich mit einem kontrapunktisch gearbeiteten Satz des großen Polyphonikers Palestrina das Akkordeon dazugesellte. Konsequent entlang der Chronologie stieß man über die Stationen Riccardo Rognoni, Girolamo Frescobaldi und Aureliano Virgiliano in einer bunten Folge von solistischen und Duo-Sätzen mit der berühmten „Follia“ Arcangelo Corellis auf vertrauteres Terrain.

Hatte man sich bei den Stücken, die Corelli vorausgegangen waren, auf mehr oder weniger ungewohnte Strukturen und Klänge einzulassen, so war die populäre Variationenfolge über das bekannte Thema „La Follia“ ein besonders spannendes Abenteuer, denn jede der vielen Variationen beginnt quasi neu; Corelli wechselt dabei ständig zwischen geradezu artistischen und dann wieder nach-
denklichen Abschnitten. Hier bewiesen beide Musizierende allerhöchste Virtuosität und ein so einfühlsames wie nahtloses Zusammenspiel.

Noch Populäreres gab es nach der Pause mit Vivaldis „Jahreszeiten-Konzerten“ zum Herbst und zum Winter. Es tat gut, die teilweise drastischen Naturund Kultur-Schilderungen einmal nicht in einer geschliffenen Version des Vivaldischen Originals für Violine und Streicher zu hören; die Verfremdung durch die beiden „unerwarteten“ Instrumente eröffnete neue Perspektiven und bot immer wieder überraschende bis verblüffende Klangereignisse. Als Zugabe rauschte das Duo mit der Zeitmaschine dann doch noch ins 20. Jahrhundert: Piazzollas „Oblivion“ gab dabei nicht nur dem Akkordeon, sondern auch der Gambe die Gelegenheit zu schwermütigem Schwelgen. Insgesamt ein Abend der Sonderklasse, vom stets für Neues offenen Publikum der „Mosbacher Klassischen Konzerte“ mit Neugierde und Begeisterung aufgenommen.

Text und Bild: Ernst Wilhelm

Mosbacher Klassische Konzerte