Der Gitarrist Friedemann Wuttke zu Gast in der Stiftskirche
An ungewohnter Stelle, ausnahmsweise in der Stiftskirche, fand am Donnerstagabend das vierte und letzte der Klassischen Konzerte der Saison mit dem Stuttgarter Gitarristen Friedemann Wuttke statt. Eine gute Entscheidung, denn eine einzelner Gitarre hätte im großen Saal der Mälzerei wohl verloren gewirkt. So aber konnten die Zuhörer, im Halbkreis um ein kleines Podest postiert, dem Solisten ganz nah kommen. Die Ohren spitzen musste man natürlich immer noch, denn die Gitarre ist ein zartes Instrument, das sich auch im Fortissimo nicht zu großem Schalldruck zwingen lässt. Erstaunlicherweise waren es aber gerade die leisesten Töne, die sich in der Akustik der Stiftskirche am schönsten entfalteten und im Publikum für konzentrierte Stille sorgten.
Ein Programm mit vielen ganz bekannten Stücken hatte Friedemann Wuttke mitgebracht. Er begann mit „Asturias“ aus der „Suite española“ des spanischen Komponisten Isaac Albéniz (1860-1909), das sozusagen ein Flaggschiff des klassischen spanischen Gitarrenrepertoires darstellt, obwohl es, wie die meisten von Albéniz’ Werken, ursprünglich für Klavier komponiert wurde. Der Komponist war ein Wunderkind am Klavier, dazu ein unkonventioneller und freiheitsliebender Charakter, der bereits mit 12 Jahren von zu Hause ausriss und sich als blinder Passagier auf ein Schiff nach Amerika schmuggelte und dort als Musiker durchschlug. Durch die Verschmelzung der traditionellen Volksmusik seiner Heimat mit seinem eigenen virtuosen Stil prägte er den spanischen Nationalstil.
In diesem Repertoire fühlte sich Friedemann Wuttke hörbar am wohlsten an diesem Abend. Auch das folgende „Andaluza“ oder „Danza española“ No. 5 von Enrique Granados (1867-1916), der ebenso wie Albéniz zu den Erneuerern der spanischen Musik zählte, atmete den Geist dieser Epoche, den unverwechselbaren Sound der spanischen Volksmusik, in der sich europäische Traditionen mit arabischen Einflüssen vermischt haben. Am besten gelang es dem Gitarristen in den „Cinq préludes pour guitare“ des Brasilianers Heitor Villa-Lobos (1887-1959), die Zuhörer zu bannen. Hier stimmte das Timing, vor allem die langsamen Sätze hatten die Ruhe und Innigkeit, die ihm in manchen anderen Stücken an diesem Abend fehlte. Erstaunlich, wie präsent selbst die zartesten Flageolett-Töne in dem großen Raum waren, während die lauten Stellen auch mit großer Kraft - die Friedemann Wuttke zweifellos besitzt – oft nicht zum Klingen gebracht werden konnten.
Das zeigte sich ebenfalls in der „Sonatina C-Dur“ op. 56 von Ferdinando Carulli (1770-1841). Der Neapolitaner Carulli war als Gitarrist ein Autodidakt, den das Instrument so faszinierte, dass er es in den Mittelpunkt seines Schaffens stellte. Er zog von Italien nach Paris, wo er die Gitarre in die Salons einführte und selbst Konzerte gab. Seine Spezialität waren gefällige Virtuosenstücke, die er in den Pariser Salons offenbar in hohem Tempo zum Besten gab und damit viel Erfolg einheimste. In diesem Programm wirkte Carullis Musik vielleicht einfach ein bisschen schlicht und vorhersehbar nach den beiden starken Spaniern zu Beginn.
Schnelle Tempi prägten auch Friedemann Wuttkes Spiel an diesem Abend, allerdings agierte er dabei häufig angespannt und fand nur selten zu wirklicher Ruhe und Gelassenheit. Die fehlte besonders der mächtigen „Chaconne“ aus Johann Sebastian Bachs d-moll-Partita, in der er sich unnötig selbst unter Druck setzte mit einem zu flotten Tempo, das beständig nach vorne zu fallen schien. Diese Hektik wäre hier vielleicht vermeidbar gewesen, auch im letzten Stück des Programmes, den Variationen über ein Thema aus der „Zauberflöte“ von Fernando Sor (1778-1839). Insgesamt erlebten die Zuhörer einen etwas durchwachsenen Gitarrenabend, in dem allerdings die schöne Interpretation von Villa-Lobos’ „Cinq préludes“ im ersten Teil wohltuend herausragte.