Die Klassischen Konzerte überraschten mit toller Kammermusik für Saxofon und Akkordeon
Akkordeon und Saxophon – eine recht ungewöhnliche Kombination, der sich die beiden jungen Herren vom „Duo Anemos“ da verschrieben haben. Dass es kaum Originalmusik für diese Besetzung gibt, macht das Konzertieren sicher nicht ganz leicht, eröffnet aber auch eine große künstlerische Freiheit. Anže Rupnik (Sopran- und Altsaxofon) und Marko Trivunović (Knopfakkordeon) greifen munter in die Notenkisten anderer Instrumente hinein und arrangieren sich ihr Repertoire gekonnt einfach selbst. In dem mitreißenden Programm „Zeitreise“, das die beiden am Dienstagabend im Rahmen der „Mosbacher Klassischen Konzerte“ vorstellten, spannen sie einen Bogen über 300 Jahre Musikgeschichte und loten dabei eine überraschende Vielfalt an musikalischen Stilen und eine schier unerschöpfliche Palette an Klangfarben aus, der die Zuhörer vor allem an den leisen Stellen mit atemloser Faszination lauschten. Christof Roos von der Konzertgemeinde zeigte sich in seiner Begrüßung hocherfreut, dass so viele zu diesem Kammermusikabend in die Mälzerei gekommen waren, es hatten sogar zusätzliche Stühle aufgestellt werden müssen. Vielleicht waren diesmal auch ein paar neue Fans da, die Saxofon und Akkordeon (beide eher Exoten in der klassischen Kammermusik) einmal in einer neuen Rolle erleben wollten. Das „Duo Anemos“ lädt mit Einfallsreichtum und Können dazu ein, Hörgewohnheiten zu erweitern und sich auf Neuland einzulassen.
Den Barockmeister Domenico Scarlatti (1685-1757) beispielsweise kennen heute vor allem die Tastenspieler für seine häufig sehr virtuose Musik. Aus seinen 555 einsätzigen Cembalosonaten hatten die beiden Musiker vier der hübschen Miniaturen in verschiedenen Tonarten ausgewählt, bearbeitet und zu einer stimmigen Suite zusammengefügt. Vom ersten zarten Ton an entwickelten sie dabei einen aufregenden und vielleicht für viele überraschenden Klangzauber. Das „klassische“ Saxofon hat in so versierten Händen nahezu nichts gemein mit der rauen und gerne mal etwas röhrenden Stimme seiner jazzigen Brüder. Anže Rupnik spielt das Sopransax mit unfassbar subtilem Ansatz, bei dem man klangliche Nuancen von Flöte und Klarinette, aber auch von Horn und Fagott zu hören vermeint, zart und intensiv zugleich – einfach wunderschön! Zuweilen scheinen seine Töne aus dem Nichts zu kommen und aufs innigste mit denen des Akkordeons zu verschmelzen. Marko Trivunović entlockt dem Bajan (Knopfakkordeon mit Knöpfen statt Klaviertasten auf der Diskantseite) kongenial feine Klänge, zart und differenziert, manchmal fast wie ein Streichquartett. Laut wird es eigentlich nie in diesem Programm, aber das musste es auch nicht, denn singen auf ihrem Instrument – das können sie beide perfekt, wie man erleben konnte in der elegischen „Vocalise“ von Sergei Rachmaninoff (1873-1943).
Eine ganz andere Klangwelt eröffnete sich dann in den „Bagatellen“ op. 6 von Béla Bartók (1881-1945): Eckig, modern, zuweilen fast atonal kommt dieser frühe Bartók daher, bei dem das Duo Anemos einige neue Aspekte zutage förderte. Es geht vielleicht ein wenig von der Perkussivität der originalen Klavierfassung verloren, dafür hört man genauer, wie die komplexen Akkorde harmonisch ineinander geschoben und immer wieder neu definiert werden. Modern wurde es auch in der zweiten Hälfte: Nach der tollen Flötensonate g-moll von C.P.E. Bach stand mit „Dhamar für Altsoxofon und Akkordeon“ ein Originalwerk an, in dem der Komponist Josè Maria Sánchez Verdú (*1968) auch ungewohnte Klänge wie Geräusche von Klappen, Knöpfen und Balg verwendet hat. Das Publikum, das sehr aufgeschlossen für Zeitgenössisches ist, lauschte gebannt und applaudierte begeistert. Die Musiker mussten einen Moment warten, bis wieder Ruhe einkehrte und es weitergehen konnte mit den „Canciones Populares Españolas“ von Manuel de Falla (1876-1946), die hier in einer wunderschönen Fassung für Altsax und Akkordeon das Programm abrundeten. Zum Abschluss hatte das sympathische Duo, das den Abend auch selbst moderiert hatte, mit „Oblivion“ von Astor Piazzolla noch einen echten Klassiker vom Altmeister des argentinischen Bandoneons als Zugabe im Gepäck.