Das Warten hat sich sehr gelohnt. Ursprünglich sollte Martin Grubinger vor ein paar Wochen in Orchester-Begleitung nach Mosbach kommen.
Saison 2011/2012. Jetzt holte der renommierte Schlagzeug-Virtuose den ausgefallenen Termin in der prächtig gefüllten Alten Mälzerei nach und trat dafür im Quintett auf: mit zwei Klavieren und Schlagzeugern. Es wurde ein Abend der umwerfenden Virtuosität und sprühender Spiellust daraus, am Ende frenetisch umjubelt.
Für den jungen österreichischen Schlagzeuger war der Abend ein virtuoses Familientreffen: sein Vater wirkte ebenso mit wie seine Frau und Schwägerin an den beiden Flügeln. Zur Hochzeit bekam Grubinger eine Komposition von Fazil Say gewidmet: Variationen für 2 Klaviere und Schlagzeug. Ein Wiegenlied für Grubingers Baby ist Ausgangspunkt der Komposition, die mit wohligen Harmonien und Melodien, in erlesen blinkenden, glockenhaften Farben beginnt. Komplexe türkische Rhythmen sind ein Grundbestandteil dieser Musik, werden von sanfter Klangsinnlichkeit hochgesteigert zu wilder Ekstase. Faszinierende Farben und Stimmungen entwarf das Klavierduo Ferhan und Ferzan Önder gemeinsam mit Grubinger und Leonhard Schmidinger an den Schlaginstrumenten. Traumhafte, traumversunkene Momente ergaben sich dabei, leise Farben des Marimbaphon und ein furioser Freudentanz am Ende, orgiastisch intensiviert.
Bela Bartoks Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug ist ein Meilenstein der Moderne und erfordert höchste spielerische Ansprüche an die Interpreten. Die komplexen rhythmischen Überlagerungen machte Grubinger zunächst mal vokal vor, quasi im Rap, bevor er sie instrumental nicht minder verblüffend verarbeitete. Bartok benutzte auch die Klaviere wie zwei Schlaginstrumente und im Gegenzug wird das Schlagzeug oft melodisch eingesetzt, wie die glissandierenden Pauken. So fesselte die Aufführung gerade durch wunderbares Zusammenklingen, das Verschmelzen der hier eingesetzten Instrumente. Große Präzision war in diesem Spiel mit großer Fantasie verbunden, kaum sonst hat man eine Aufführung dieses schwierigen Werkes gehört, die so lustvoll und unbeschwert, zugleich so locker leicht daherkam wie diese. Spontaneität ging immer wieder in hochgespannte Musizierfreude über, große Sinnlichkeit der Klänge wurde hochgesteigert zu furiosen, atemberaubenden Verdichtungen. Umwerfende Virtuosität und folkloristische Vitalität bestimmte insbesondere das Finale, dem viel Klangraffinesse beigegeben wurde von diesen trefflichen Musikern. Ein ganz ruhiges Händchen brauche man für die leisen Trommelwirbel am Ende - "mal gucken ob ich das heute habe", scherzte Grubinger noch zuvor mit seinem Publikum. Und wie er es hatte!
Zwei hochvirtuose Hände hatte der Schlagzeuger auch nach der Pause, als Strawinskys "Le Sacre du Printemps" auf dem Programm stand. Sein Vater Martin Grubinger senior, der sich als Fünfter in der Runde hierbei hinzugesellte, hat eine reizende Bearbeitung dieses kolossalen Werkes für zwei Klaviere und Schlagzeug gemacht. Das Stück hat in der Originalversion schon sehr viel rhythmische Energie. Diese wurde hier noch weiter zugespitzt in dieser Bearbeitung. Dabei betrommelte Martin Grubinger jun. durchaus auch mal zwei Schlaginstrumente gleichzeitig in je eigener Rhythmik und wie entfesselt, auf linke und rechte Hand verteilt.
Das archaisch Wilde kam in dieser neuen Version ebenso fesselnd zum Tragen wie das Mystische. Magische Klänge entlockten die Schlagzeuger den (mit dem Bogen) gestrichenen Vibraphonplatten und auch mit den Schlägeln begannen ihre Instrumente wundersam zu singen. Im Grunde war es fast ein neues Werk, das hier zu hören war, die große Modernität wurde in dieser Fassung noch weiter pointiert. Und diese fünf fabelhaften Musiker machten in der Tat etwas Atemberaubendes daraus. Unerhört virtuos, absolut furios wurde musiziert, die gewaltigen Energien in wahrem Höllentempo beschleunigt. Das Obsessive dieser Klänge, die elementare Kraft wurde ungeheuer mitreißend gestaltet. Großer, stehender Applaus und begeisterter Jubel gab es am Ende und zwei Zugaben des Quintetts: Piazzolla und ein Ragtime.
Von Rainer Köhl