André Baleiro (Bariton) und David Santos (Klavier) zu Gast bei den Klassischen Konzerten
Wenn es bei den Mosbacher Klassischen Konzerten einen Liederabend gibt, dann darf das auch gerne mal einer sein, bei dem man genau zuhören muss. In dieser Woche waren der aus Portugal stammende Bariton André Baleiro und sein Pianist und Landsmann David Santos zu Gast und präsentierten einen ungewöhnlichen Liederabend, der neben weniger bekannten Liedern von Franz Schubert und Robert Schumann auch Benjamin Brittens „Songs and Proverbs of William Blake“ enthielt. Pianist David Santos übernahm in perfektem Deutsch die Moderation und ermöglichte den Zuhörern damit einen lohnenden Einblick, sowohl in die romantischen Lieder als auch in ein etwas schwieriges Repertoire wie Britten.
In ihren ersten Block mit Schubert-Liedern starteten die beiden Musiker jedoch erst einmal ohne einleitende Worte. Franz Schubert (1797-1828) hat in seinem kurzen Leben eine unfassbare Fülle von 660 Liedern hinterlassen, darunter der legendäre „Erlkönig“ oder „Die Forelle“. Die drei hier ausgewählten Lieder gehören nicht zu den allerbekanntesten, stehen aber beispielhaft für die unterschiedlichen Liedformen in Schuberts Kanon. „Der Wanderer an den Mond“ D 870 ist ein Strophenlied mit mehreren gleich auskomponierten Strophen, bei deren Ausgestaltung der Sänger sich allein auf den Text stützen muss. „Wehmut“ D 772 erfordert ein intensives, fast geflüstertes und doch gut verständliches piano. Und schließlich die dramatische Ballade „Sehnsucht“ D 636 nach Versen von Friedrich Schiller: Mit sicherem Gespür und seine kraftvolle Stimme immer behutsam einsetzend zauberte der kaum 30jährige André Baleiro einen ganzen Kosmos von schön differenzierten Farben und Emotionen auf die Bühne. Besonders auffallend ist vor allem seine überaus elegante Höhe, die in diesem Programm oft gefordert war. Das ist technisch superschön gemacht, man hat den Eindruck, dass er sich da oben sehr wohl fühlt und auch die ganze Wärme und Tiefe seiner maskulinen Stimme mit in den ewigen Schnee nehmen kann. David Santos am Flügel ließ ihm Raum zur Entfaltung und begleitete aufmerksam, nicht ganz leicht in einer Akustik, in der ein Sänger leicht vom Klavier bedrängt oder gar übertönt werden kann.
David Santos’ mit Tonbeispielen ergänzte Moderation und auch die kurze Einführung vorab durch Christof Roos im kleinen Saal war vor allem für die „Songs and Proverbs“ von Benjamin Britten (1913-1976) hilfreich, denn ganz ohne Vorwissen ist diese Musik auch für ein klassik-affines Publikum wie die Mosbacher Konzertgemeinde vielleicht etwas sperrig. Brittens kühle Tonsprache zeichnet sie aus, aber auch William Blakes eigenwilliger Charakter, der neben seiner künstlerischen (er war Dichter und Maler/Kupferstecher) auch eine revolutionäre Ader hatte und gesellschaftliche Missstände thematisierte. Brittens Vertonung ist zuweilen beklemmend, oft lautmalerisch: Man hört im Klavier das Trippeln einer Fliege, die kratzenden Prankenhiebe eines Tigers, die hüpfenden Schritte eines Kaminkehrerjungen im Schnee. Schwer zu singen – und sicher als Live-Erlebnis im Konzert zu hören noch einmal weit eindrucksvoller als zu Hause am Radio. Nach der Pause ging es wieder zurück ins 19. Jahrhundert, zu Robert Schumann und seinen ebenfalls recht tiefgründigen und wunderschön musizierten Fünf Liedern op. 40 nach H.C. Andersen: „Märzveilchen, Muttertraum, Der Soldat, Der Spielmann und Verratene Liebe“. Fast wie zur Erholung standen am Schluss dieses Programms noch einmal fünf „leichtere“ und humorvolle Schubert-Lieder wie z.B. „Alinde“, „Der Einsame“ oder „Willkommen und Abschied“, bei denen Sänger André Baleiro stimmlich ein wenig mehr loslassen durfte und auch seine ansonsten recht zurückhaltende Körpersprache lockerte. Als Zugabe erklang danach noch aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler das „Rheinlegendchen“, mit dem sich die beiden Musiker schließlich von ihren Zuhörern verabschiedeten.