Das „Elaia Quartett“ und Pianist*in Nasti zu Gast beim Saisonabschluss der Klassischen Konzerte
Ein bisschen früher als sonst beschloss die Konzertgemeinde die Saison 23/24 am Freitagabend mit einem Konzert, das das wegen eines zeitgleich stattfindenden Wettbewerbs vorverlegt worden war. Das „Elaia Quartett“ mit Leonie Flaksmann und Iris Günther (Violinen), Francesca Rivinius (Viola) und Karolin Spegg (Cello) ist derzeit eines der interessantesten jungen Streichquartette in der Szene. Gemeinsam mit Pianist*in Nasti hatten die die vier ein hochintensives, unter dem Motto „Licht und Schatten“ stehendes Programm mitgebracht. In drei unterschiedlichen Besetzungen von Trio bis Quintett loteten sie dabei besondere Klangfacetten und emotionale Schattierungen aus, vom warmen Leuchten eines Haydnschen Sonnenquartetts bis zur tiefsten Düsternis, die sich so eindrücklich im Klavierquintett op. 57 von Schostakowitsch zeigt, welches im Schatten von Stalins Schreckensherrschaft entstand.
Wie die Cellistin in ihrer Moderation verriet, liegen die drei Werke ihnen allen auf besondere Weise am Herzen, gehen an die Substanz. Licht und Dunkelheit, Höhen und Tiefen, Manie und Depression spiegeln sich darin wieder – ein Prinzip, das bereits in der Kunst und Musik der Renaissance als „Chiaroscuro“ ein Begriff war, zieht auch die Hörer von heute in seinen Bann. Die Fans anspruchsvoller Kammermusik können sich bei den Klassischen Konzerten immer auf spannende Programme verlassen, in denen sich gerne auch einmal Werke des 20. und 21. Jahrhunderts finden. Bei diesem jungen Ensemble allerdings musste man sich davor keineswegs fürchten, obwohl gleich zum Auftakt ein Werk von der zeitgenössischen finnischen Komponistin Kaija Saariaho (1952-2023) auf dem Programm stand.
Das einsätzige Stück für Klaviertrio mit dem Titel „Light and matter“ entstand 2014 während eines Aufenthaltes der Komponistin in New York, wo sie Impressionen aus dem „Morningside Park“ in Manhattan in ihre Komposition einfließen ließ. Wer allerdings romantische Programmmusik, ein Idyll mit Vogelzwitschern und Nebelschwaden erwartet haben sollte, wurde hier sanft aber nachdrücklich auf einen anderen Weg geführt: Iris Günther (Violine), Karolin Spegg (Cello) und Nasti (Klavier) schienen mit den Klängen zu malen, setzten pianistische oder streicherische Klangfarben und Effekte wie sul ponticello, glissando oder flagoeolet ebenso behutsam wie gekonnt ein. So kann man sich zeitgenössische Musik wahrlich gefallen lassen: Ungewohnt, neuartig, aber dabei überaus anregend für die Vorstellungskraft des Hörers, der sich darauf einlassen muss, dass es in dieser emotionalen Landschaft auch einmal rau und stürmisch zugehen kann.
Das zweite Werk des Abends stammte aus den sogenannten „Sonnenquartetten“ von Joseph Haydn (1732-1809). Das Streichquartett op. 20 Nr. 2 in C-Dur passte mit seinen starken Kontrasten perfekt zum Thema „Licht und Schatten“, denn in kaum einem anderen Haydnquartett äußert sich soviel Einsamkeit und Verlorenheit wie in diesem grandiosen Adagio. Die anschließenden Sätze wirken dadurch umso lichter, sogar die komplizierte Fuge im Finalsatz, die das junge Quartett mit einer hinreißenden Unbeschwertheit und jugendlichen Leichtigkeit interpretierte.
Den Höhepunkt des Programms bildete dann im zweiten Teil des Abends nach der Pause das grandiose Klavierquintett von Dmitrij Schostakowitsch (1906-1975). Pianist*in Nasti (übrigens im Masterstudium bei Igor Levit) erinnerte in der Moderation an den Tod von Kremlkritiker Alexej Nawalny vor einigen Tagen. Ein ähnliches Schicksal wie ihm hätte auch Schostakowitsch drohen können, der ebenfalls den Zorn eines tyrannischen Regimes auf sich gezogen hatte und jederzeit eine Verhaftung fürchten musste. Düsternis und Angst, Verletzlichkeit und Heimlichkeit, all das klingt an in diesem hochdramatischen Quintett, bei dem das Klavier natürlich die Hauptrolle spielt, sich aber auch zwischen den Streichern (hier angeführt von Leonie Flaksmann an der 1. Violine) immer wieder höchst spannende Dialoge entwickeln. Ganz am Schluss des Finale scheint sich eine Klärung und ein echter Hoffnungsschimmer abzuzeichnen: Das klang wie ein ganz tiefes musikalisches Aufatmen, welches eine Zugabe überflüssig machte.
Wunderschön!