Theo Plath (Fagott) und Aris Blettenberg (Klavier) begeisterten mit filigranem Zusammenspiel.
Bei den Kammermusikabenden im Rahmen der Mosbacher Klassischen Konzerte hat man immer wieder einmal Gelegenheit, ungewöhnliche Bläserfarben näher kennenzulernen. Das Fagott ist eines jener relativ selten zu hörenden Instrumente, die den Konzertbesuchern zumeist nur aus dem Sinfonieorchester vertraut sind. Am Sonntagabend konnte man in der Alten Mälzerei dieses wunderschöne Holzblasinstrument mit seinen geheimnisvollen Klangfarben einmal ausgiebig solistisch in Aktion erleben.
Der Fagottist Theo Plath und sein Klavierpartner Aris Alexander Blettenberg sind beide noch keine 30 Jahre alt und mit renommierten Preisen ausgezeichnete Meister ihres Fachs. Neben ihren vielfältigen musikalischen Verpflichtungen (z. B. als Solofagottist des hr-Rundfunksinfonieorchesters respective als Pianist und Dirigent) finden sie aber immer noch regelmäßig Zeit für ihre Kammermusik-Projekte, in denen sie auf Entdeckungstour gehen nach reizvollen Erweiterungen des Repertoires.
Denn der Bestand an Originalwerken für Fagott und Klavier ist relativ übersichtlich: Es gab Zeiten in der Musikgeschichte, in denen zwar viel tolle Musik, aber nur sehr wenig für Fagott geschrieben wurde. Eine dieser aus Fagottistensicht nahezu „weißen“ Flecken ist die Spätromantik am Anfang des 20. Jahrhunderts, der sich die beiden Musiker an diesem Abend besonders widmeten. Unter dem sprechenden Titel „Lost times“ haben sie dieses Programm inzwischen auch auf CD eingespielt. Auf der Suche nach neuem Repertoire hat Theo Plath Stücke bearbeitet, die für andere Instrumente komponiert wurden, die aber auch sehr gut zum Fagott passen. Die „Drei Stücke“ der französischen Komponistin Nadja Boulanger (1887-1979) beispielsweise entstanden 1915 ursprünglich für Cello und Klavier. Eine Transkription für Fagott bietet sich an, denn beide Instrumente besitzen in tiefer Lage ein sonores, männlich wirkendes Bassregister und haben in der Höhe zusätzlich eine ganze Palette völlig anderer Klangfarben zur Verfügung. Und mit denen spielt Theo Plath, der die Programmfolge kurzfristig umgestellt hatte und ganz zart und lyrisch, beinahe versonnen mit Boulangers „Modéré“ startete, mit ganzer Hingabe. Eindrucksvoll, wie die beiden Musiker in perfekter Harmonie agierten, voller Empathie einander lauschend und gemeinsam schwingend. Aris Blettenberg erwies sich dabei als echter Gentleman am Flügel, der die nuancierten Klangfarben seines Partners feinfühlig mittrug und mit seinem behutsam-filigranen Spiel zum Leuchten brachte.
Theo Plath hat das Fagott-Repertoire inzwischen um die beiden bekannten Violinsonaten von Claude Debussy und César Franck erweitert. Warum sollte man auch als Fagottist so prächtige Musik den Geigern allein überlassen, wenn man über solch grandiose technische und gestalterische Fähigkeiten verfügt. Tatsächlich klingen die von ihm arrangierten Versionen so, als seien sie nie anders gedacht gewesen: Debussys impressionistischer Charme voller virtuoser Eleganz, gewürzt mit einem Spritzer Folklore und einem Hauch von Englischhorn in den hohen Lagen, Francks gehaltvoll-melodiöse Hochromantik mit seinem markanten Leitmotiv, das in allen Sätzen immer wieder durchschimmert. Eines der wenigen Originalstücke für Fagott aus dieser Zeit ist die 1921 entstandene Sonate von Camille Saint-Saëns (1835-1921): Spektakulär, wie präsent die tiefen Töne dabei im Publikum fast körperlich zu spüren waren und wie anscheinend mühelos und voller Leichtigkeit das junge Duo dabei zu Werke ging und gemeinsam eine Geschichte aus 1001er Nacht zu erzählen schien.
Die gleiche vollendete Meisterschaft im Zusammenspiel war dann auch nach der Pause in der berühmten Violinsonate von César Franck zu spüren, bei der das Klavier entschlossen aus der Begleiterrolle hervortrat und ganz und gar zum Co-Solisten wurde. Gefesselt lauschten die Zuhörer bis zum letzten Ton und waren hellauf begeistert, als die beiden Musiker mit „Sarkastina“ danach noch ein hinreißendes Kabinettstückchen aus der Feder von Aris Blettenberg auspackten, der sich damit auch als begabter Komponist outete. Nach diesem Konzert wird man Kammermusik mit Fagott definitiv mit neuen Augen sehen – und mit neuen Ohren hören.