Die französische Harfenistin Agnès Clément verzauberte mit einem Spiel von unglaublicher Intensität und toller Ausstrahlung
Nach elf Jahren war endlich wieder einmal eine Harfe im Programm der Klassischen Konzerte und mit der jungen Agnès Clément aus Frankreich eine der ganz Großen zu Gast. Sie gewann 2016 beim ARD-Wettbewerb den selten vergebenen 1. Preis, dazu den Publikumspreis sowie den Preis für die beste Interpretation des Auftragswerks. Wenn man sie spielen hört – nein besser erlebt – wird klar, womit sie sich diese Auszeichnungen verdient hat: Agnès Clément ist eine großartige Musikerin mit einer ganz besonderen Ausstrahlung. Wer die Harfe jemals als ein ätherisches Instrument gesehen haben sollte, dem vorwiegend engelhafte Klänge zu entlocken sind, der wurde hier eindrucksvoll eines Besseren belehrt. Die junge Französin über große Kraft und eine sehr lebendige Energie, die ihrem Ton sowohl im äußersten pianissimo als auch im forte eine unglaubliche Intensität verleihen.
Bereits der allererste Akkord war ein Statement: satt, kraftvoll, überraschend voluminös – so startete sie in ein höchst abwechslungsreiches Programm, das sie mit der Sonate für Harfe von Paul Hindemith (1895-1963) eröffnete. Ein wunderbares Repertoirestück, bei dem man die raffinierte Technik von Agnès Clément ausgiebig bewundern konnte. Da die Harfe keine Dämpfung besitzt wie das Klavier, muss eine angeschlagene Saite mit der Hand gedämpft werden. Es sind also oftmals zwei präzise Bewegungen notwendig, und das sieht dann zuweilen aus wie ein komplexer Tanz der Hände über den 47 Saiten. Auch die Füße der Solistin zu beobachten, wie sie blitzschnell die sieben Pedale bedienten, war ein Vergnügen, dem die Zuhörer fasziniert folgten. Mit den Pedalen können die einzelnen Töne der Harfe jeweils um einen oder zwei Halbtöne erhöht werden. Damit ergibt sich insgesamt ein Tonumfang von sechseinhalb Oktaven, fast so groß wie beim Klavier.
Musik für Tasteninstrumente wie Klavier oder Cembalo lässt sich in vielen Fällen gut auf die Harfe übertragen, ja – man könnte sogar behaupten, dass manche Stücke auf ihr besser klingen als im Original, zumal wenn sie so fantastisch gespielt werden wie es hier zu hören war. Dazu gehörten auch die beiden nächsten Werke, „Le rappel des oiseaux“ von Jean-Philippe Rameau (1683-1764) und der bekannte „Coucou“ von Louis-Claude Daquin (1694-1772), die für das Cembalo geschrieben wurden. Auf der Harfe bekamen sie eine viel schönere Zartheit und Geschmeidigkeit, die mit den percussiven, unflexiblen Anschlag des Cembalos gar nicht erzeugt werden kann. Die folgenden „Zwei Arabesken“ von Claude Debussy sind original für Klavier, waren aber ebenfalls in Agnès Cléments feiner Interpretation eine ganz neue und beglückende Erfahrung.
Obwohl es einfache Formen der Harfe schon vor 5000 Jahren gab, wurde die moderne Doppelpedalharfe mit ihrem großen Tonumfang erst 1810 entwickelt. Kein Wunder, dass sich auch die Harfenisten selbst um Repertoire kümmerten, so wie die glanzvollen Variationen zu „Karneval in Venedig“, die der Harfenist Wilhelm Posse (1852-1925) nach allen Regeln klassischer Tonkunst für sein Instrument komponierte. Im Vergleich dazu wirkte die Variationen über ein Thema aus Bellinis „Norma“ von dem englischen Harfenisten Elias Parish-Alvars (18-9-1849) bei aller Virtuosität ein wenig seicht. Stark dann wieder die beiden Sonaten von Domenico Scarlatti und die „Tröstung“ von Franz Liszt, bevor sich die Solistin dem letzten und großartigsten Stück des Abends zuwandte. Es stammte von der französischen Harfenistin Henriette Renié (1875-1956) und ist eine Art sinfonischer Dichtung über die Ballade „Die Elfen“, überaus dramatisch, prall und packend wie der „Erlkönig“. Ein Happy End hat diese düstere „Legende“ natürlich nicht, aber das lieferte Agnès Clément mit ihrer Zugabe quasi nach und beendete ihren begeisternden Vortrag mit den fröhlichen „Rondelles“ von Daquin.