Das Landesjugendorchester präsentierte sich mit einem aufregenden sinfonischen Programm.
In einem Alter, in dem andere Teenager in ihrer Freizeit zocken oder feiern gehen, sind sie bereits unbestrittene Meister auf ihrem Gebiet. Zwischen 13 und 19 Jahren sind die rund sechzig jungen Musikerinnen und Musiker des baden-württembergischen Landesjugendorchesters erst alt, aber sie offenbaren bei ihren Konzerten eine faszinierende Qualität und mitreißende Spielfreude, die sich auch auf die Zuhörer überträgt. Talent und zahllose Übungsstunden sind nötig, um bei den besten Nachwuchsinstrumentalisten des Landes mithalten zu können.
Es ist also ein ganz besonderes junges Völkchen, das sich da im LJO versammelt und die MusikerInnen genießen diese intensive Zeit mit Gleichgesinnten. Anstrengend ist das zweifellos – man muss sich in den Proben und besonders bei den Konzerten schon voll reinhauen - aber auch ungeheuer bereichernd und eine prägende Erfahrung, bei der oftmals lebenslange Freundschaften entstehen.
Auch der junge Dirigent Valentin Egel, der in dieser Frühlingsarbeitsphase des Orchesters am Pult des LJO steht, ist ein hochbegabter Senkrechtstarter und mit seinen nicht einmal dreißig Jahren bereits Generalmusikdirektor am kroatischen Nationaltheater Rijeka. Ein wunderbar abgestimmtes und ungewöhnliches Programm aus dem 20. Jahrhundert hatten er und seine Musiker mitgebracht, wie man es nicht so häufig zu hören bekommt. Aus der Oper „Peter Grimes“ von Benjamin Britten stammten die „Four Sea Interludes“, vier kurze Zwischenaktmusiken, die mit ihrer atmosphärischen Stimmung auch konzertant überaus wirkungsvoll sind. Anspruchsvoll zu spielen sind sie ebenfalls, verstecken kann sich niemand, wenn es gleich zu Beginn für die Geiger unisono hinauf geht in den „ewigen Schnee“. Mit einer feinen Cantilene dürfen dann die Celli und Bratschen melodisch den „Sonntagmorgen“ einläuten, bevor sich sanftes Mondlicht über das nächtliche Meer legt. Im letzten Satz lässt Britten dann einen veritablen Sturm losbrechen. Die Natur draußen schien dabei mitmachen zu wollen, heftiger Regen prasselte auf das Dach der Mälzerei und Donnergrollen mischte sich in die aufregenden Klänge im Saal. Perfekt!
Als zweites Werk des Abends stand das 2. Cellokonzert von Dmitrij Schostakowitsch mit dem Solisten Gustav Rivinius auf dem Programm. Das Solocello steht durchgehend im Zentrum des Geschehens, ist fast immer präsent und geht in einen ganz transparenten, fast kammermusikalischen Dialog mit anderen Instrumenten des Orchesters. Bei diesem Stück konnten die Zuhörer in der Mälzerei auch einmal einen interessanten „Ernstfall“ miterleben und sehen, was passiert, wenn einem Solisten eine Saite reißt. Nun, Solist und Dirigent entschieden sich, nicht abzubrechen, sondern Gustav Rivinius tauschte sein Instrument im fliegenden Wechsel mit einer jungen Cellistin am ersten Pult und spielte weiter. Die ruhige Selbstverständlichkeit, mit der die Musiker diese Schrecksekunde ganz ohne Unterbrechung gemeistert hatten, aber natürlich auch das kraftvolle, sehr ausdrucksvolle Spiel brachte allen einen besonders herzlichen Applaus am Ende ein.
Apropos Applaus – dass das Publikum bei diesem Konzert mit vielen jungen Zuhörern deutlich direkter und weniger abgeklärt reagierte als es sonst bei klassischen Konzerten üblich ist, wirkte spontan und erfrischend. Da wurde begeistert geklatscht und gerufen, keine Spur von Reserviertheit bei einem auch für die Zuhörer recht anspruchsvollen modernen Programm. Nach der Pause wartete dann mit Claude Debussys „La mer“ ein prächtiges sinfonisches Werk zum Genießen auf die Zuhörer. Noch einmal volle Konzentration bedeutete das für die jungen MusikerInnen, die bis zum letzten Ton hellwach auf der vorderen Stuhlkante agierten. Die Bläser wechseln beim LJO übrigens die Positionen innerhalb der als Zweier- oder Viererteams organisierten Stimmgruppen und jeder übernimmt einmal die Führung. Auch ein großartiges Solo vom Konzertmeister gab es im Debussy zu bewundern, bevor man sich mit dem „Tanz der Ritter“ aus Prokofjews Ballettmusik zu „Romeo & Julia“ als Zugabe fulminant für diesmal verabschiedete. In zwei Jahren wird das junge Orchester hoffentlich wiederkommen und mit seiner jugendlichen Spielfreude und seinem bestechenden Können erneut Begeisterung wecken.
Text und Bild: Pia Geimer