Der Tod und das Mädchen - Konzertgemeinde Mosbach e.V.

Der Tod und das Mädchen

quatuor danel

Das belgische “Quatuor Danel“ beeindruckte mit drei späten Streichquartetten von Mendelssohn, Weinberg und Schubert

Die Trauer um eine geliebte Schwester war schon mehrfach in der Musikgeschichte ein starker Antrieb für Komponisten. Das vielleicht berühmteste Werk mit dem Thema „Der Tod und das Mädchen“ ist ein Streichquartett von Franz Schubert, der das gleichnamige Lied von Matthias Claudius zum Thema des langsamen Satzes machte. Aber auch in Felix Mendelssohns letztem Streichquartett op. 18 finden wir den Schock, den der unerwartete Tod seiner Schwester Fanny ausgelöst hatte, auf hochemotionale Weise ausgedrückt. Ein nicht minder bewegendes Zeugnis von Trauer aber hat der heute relativ unbekannte russische Komponist Mieczyslaw Weinberg hinterlassen mit seinem 16. Streichquartett op. 130. Diesen drei Quartetten widmete sich das „Quatuor Danel“ im Rahmen der Klassischen Konzerte am Dienstagabend in der gut gefüllten Mälzerei.

Das belgische Quartett mit Marc Danel und Gilles Millet (Violinen), Vlad Bogdanas (Viola) und Yovan Markovitch (Cello) hat sich in der letzten Zeit vor allem mit seinen Gesamteinspielungen der Streichquartette von Schostakowitsch und Weinberg einen Namen gemacht. Weinbergs umfangreiches Werk wurde erst nach der Perestroika im Westen wahrgenommen. Es wurde jedoch überstrahlt von dem seiner bekannteren Zeitgenossen und einige seiner Streichquartette mussten erst mühsam aus dem Manuskript abgeschrieben werden. Primarius Marc Danel, der vor dem Konzert eine interessante Einführung zu Weinbergs Leben und Werk gab, hat ihn gemeinsam mit seinen Quartettkollegen vor dem drohenden Vergessen bewahrt und seine besondere Musik den Hörern zugänglich gemacht. Bei Danel selbst spürt man, wie fasziniert er immer noch ist von dieser aufregenden Entdeckung, und das hört man auch in seinem Spiel.

Die Trauer um Fannys Tod war noch ganz frisch, als Felix Mendelssohn (1809-1847) – der sie tragischerweise nur um wenige Monate überleben sollte – in dem f-moll Quartett op. 80 seiner Verzweiflung beredt Ausdruck verlieh. Die vier Musiker gingen das 1. Thema mit einer fiebrigen Intensität an, deren Energie sich immer wieder impulsiv Bahn bricht. Da ist nichts mehr von der unschuldigen Cantabilität seiner frühen Quartette, da sind Schmerz und Wut, ein innerer Kampf, der sich hinter den Noten abspielt. Marc Danel an der 1. Violine bildet das Epizentrum dieser Energie, die ihm gegenüber von Yovan Markowitsch am Violoncello gespiegelt wurde, Gilles Millet an der 2. Violine agiert physisch unauffälliger, aber immer präsent und hochreaktiv, und schließlich stellt Vlad Bogdanas an der Viola mit seinen sparsamen Bewegungen den ruhenden Pol des Ensembles dar.

Mieczyslaw Weinberg (1919-1996). Im Gedenken an seine Schwester Esther, die in Auschwitz ermordet wurde, schrieb er viele Jahre später dieses Streichquartett in as-moll, sein vorletztes. Hier ist die Trauer nicht frisch und zornig, sondern einer gewissen Resignation und stillen Akzeptanz gewichen. Ungeheuer anrührend, wie Marc Danel seine hauchzarten Cantilenen spann, die teilweise vom Cello aufgegriffen und begleitet werden. Es wurde ganz deutlich, was die Musiker in Weinbergs Streichquartetten entdeckt haben - das ist wunderbare, sehr eindringliche Musik! Bei Schubert kommt der Tod nicht so persönlich, das mächtige d-moll Quartett gleicht einem poetischen „Totentanz“, wie es Christof Roos in der Einführung zuvor ausgedrückt hatte. Das Quatuor Danel hob hier die Rastlosigkeit heraus, wählte schnelle Tempi, vor allem im letzten Satz, der fast ein wenig nah an der Grenze schien, wo die Bögen noch ansprechen können. Dennoch: die Energie floss in zwingendem Strom ins Publikum, bis die Musiker nach einer furiosen Zugabe aus Weinbergs 5. Streichquartett unter stehenden Ovationen verabschiedet wurden.

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