Mit dem Amaryllis Quartett war ein Streichquartett der jungen Generation zu Gast in der Reihe Mosbacher Klassischer Konzerte, das zu den interessantesten seiner Art gehört.
Beim Alban-Berg-Quartett hat das deutsch-schweizerische Ensemble wesentliche Impulse gewonnen und früher Erfolge gefeiert mit dem Gewinn des Paolo Borciani Wettbewerbs und jenes in Melbourne. 2012 wurde das Quartett mit dem ECHO Klassik für die beste Kammermusikeinspielung des Jahres ausgezeichnet.
Längst sind sie bei den großen Festivals zugange, in der Alten Mälzerei musizierten sie Werke von Beethoven und Berg. Erste und zweite Wiener Schule also. Mit Beethovens Quartett c-moll op.18/4 begann das Amaryllis Quartett. Quicklebendig aufeinander reagierend, hellwach in den Wechseln von Tempo und Dynamik, offerierten Primarius Gustav Freilinghaus zusammen mit Lena Sandoz (2.Violine), Lena Eckels (Viola) und Yves Sandoz (Violoncello) ein überaus gleichberechtigtes Musizieren. Alle Pulte sind gleich stark besetzt, was nicht nur ein traumhaft sicheres Zusammenspiel, sondern auch wunderbar homogenes Klangbild garantierte. Alle vier eröffneten das gleiche Maß an ausgefeilter und doch natürlich gewachsener Klangschönheit. Spinnwebfein wurden alle Verläufe durchzeichnet, sonnig im Ausdruck, voller Geist und Witz. Beste Vertrautheit untereinander ermöglicht solch feines Spiel. Aus unforcierter Musizierhaltung wurde gleichwohl viel Impulsivität gewonnen. Sprühender Elan, ein Spiel wie Feuer und Flamme wurde im rasant hochgedrehten Finale geboten.
Hochexpressiv geriet die Wiedergabe von Alban Bergs Quartett op.3. Hingebungsvoll und gesanglich erklangen die feinen Verästelungen, wurde der Musik große Sinnlichkeit entlockt. Das Nervöse des Fin-de-siecle, die fahlen, geisterhaften Farben des Am-Steg-Spiel, das Fiebrige und Sehnsüchtige fand sich hier wunderbar klang- und ausdrucksintensiv umgesetzt. Daneben ließen die vier mit großem Ausdruck die Saiten glühen und auch der urwienerische Tonfall kam zu bester Wirkung in den Tanzweisen. Ebenso reaktionsstark wie fesselnd ließen die Musiker die Gesten umschlagen, vom Versonnenen ins Passionierte. Wunderbar klar und innig wurde musiziert, zwischen Hingabe und großer Leidenschaft.
Beethovens letztes Streichquartett F-Dur gab es am Ende des Programms. Treffliche Wahl war es, nicht eines der übrigen späten Quartette des Klassikers zu musizieren, was den Abend überladen hätte. Im Gegensatz zu den anderen späten Quartetten, in denen er mit barocken Formen und reicher Chromatik kühn experimentiert, geht Beethoven in seinem letzten Quartett den Weg zurück zu seinen Anfängen des op.18. Und zu Haydn. Sonnig-entspannt und abgeklärt musizierte das Amaryllis Quartett, voller Heiterkeit und Beseeltheit, trefflicher Gelassenheit. Große Gesänge hörte man in erlesen austarierter Klanglichkeit, inniger Sublimheit. Bei alldem erlebte man ein modernes Beethoven-Spiel, klanglich raffiniert und ohne alle Mätzchen. Für den großen Applaus des begeisterten und konzentriert lauschenden Publikums bedankte sich das Quartett mit einer ruhigen Zugabe: der Nr.2 aus Anton Weberns Fünf Stücke für Streichquartett. Still und abgeklärt, wie ein Hauch erklang diese konzise Musik.
Von Rainer Köhl