Foto: Stefan Weindl
Berliner Symphoniker bei den Mosbacher Klassischen Konzerten in der Alten Mälzerei.
Saison 2012/2013. "We had a dream", ("wir hatten einen Traum") sagte Christof Roos in seiner Begrüßung zum 1. Abend der Reihe Mosbacher Klassische Konzerte in der Alten Mälzerei. "Unser Sponsor, Prof. Dr. Jürgen Kletti, der Dirigent Martin Pantelev und ich wollten tausend Menschen in die Alte Mälzerei bringen mit der Verpflichtung der Berliner Symphoniker". Weil der Saal aber für 1000 Leute zu klein war, wurde das Gastspiel nun erstmals auf zwei Abende ausgedehnt.
Über 1100 Karten wurden dafür verkauft. Ja, Mosbach hat jetzt gewissermaßen ein "eigenes Orchester": zum dritten Male waren die Sinfoniker aus der Bundeshauptstadt hier und wurden mit dem Dirigenten am Ende lange gefeiert. Wobei der Jubel am Ende klar werden ließ, dass die Mosbacher dieses Orchester längst in ihr Herz geschlossen haben.
Martin Pantelev, der bulgarische Gast-Dirigent stellte sich zu Beginn auch als Komponist vor mit seiner Tondichtung "Die Insel". An sinfonische Seebilder der britischen Inseln erinnert der Beginn in seiner ruhevollen Hymnik, die den Geist von 1900 atmete. Doch schon der lebhafte zweite Teil schien die Insel weit südlicher, im Schwarzen Meer zu verorten, wie die osteuropäischen Folklorismen suggerierten. Ein mächtiger Seesturm kam gleichfalls hinzu, entwickelten sich emphatische, monumentale Klangbilder. Die Ruhe nach dem Sturm brachte herrlich warme Streicher zum Blühen, ausdrucksvolle Gesten à la Mahler. Die trauernden Gedanken wurden von heiteren Walzerrhythmen vertrieben und ebenso von einem finalen Wirbelsturm, so als würde ein wilder Trupp Kosaken einher stürmen. Ein klangprächtiges Werk, das auf begeisterten Beifall stieß.
Als Solist stellte sich danach Stefan Dohr mit dem 1. Hornkonzert von Richard Strauss vor. Der Solo-Hornist der Berliner Philharmoniker ist ein exzellenter Musiker, der herrlich warme und weiche Kantilenen und samtige Töne im Lyrischen hören ließ, erlesene Klänge in den leisen Registern und schöne Schattierungen in seinen Part brachte. Eingebungsvolle Dialoge ging er mit dem Orchester ein, kräftig sonor gab Dohr dem heroischen Impetus Ausdruck. Sehr viel schwungvoller Elan entstand dabei, von den Sinfonikern kräftig befeuert. Stefan Dohr kann freilich noch sehr viel mehr mit seinem Horn anstellen, wie er in der Zugabe hören ließ: Messiaens Hornsolo "Appel interstellaire" aus dem Orchesterwerk "Des canyons aux étoiles" spielte er als Zugabe. Fantastische Klanggebilde taten sich auf zwischen romantischen Melodien: ferne Echobildungen, himmlische Klänge, unendlich leise und geheimnisvoll abgedämpft. Neue Welten begegnete man auch nach der Pause, als Dvoraks 9. Sinfonie "Aus der Neuen Welt" auf dem Programm stand, bei welcher der tschechische Komponist seine Amerika-Reise in sinfonischen Eindrücken verarbeitet hat. Große Beredsamkeit und Brisanz gab Martin Pantelev am Pult den Klängen, so als wenn hier ein Drama über die Bühne ginge. Erregend aufgewühlt, dramatisch explosiv tönte der Kopfsatz: eine ausgesprochen heißblütige Wiedergabe.
Die hingebungsvolle Art, mit welcher der Dirigent jede Phrase im langsamen Satz formte, ließ klar werden, dass dies eine echte Herzenssache ist. Innige Streichergesänge hörte man neben einem klangschön ausdrucksvollen Englischhorn-Solo und sehr organisch geformten Übergängen der Klangregister. Im Finale wurde deutlich gemacht, dass Dvorak nicht nur an Melodien der amerikanischen Ureinwohnern interessiert war, sondern auch böhmische Tanzlust mitbrachte. Fern aller Routine musizierten die Berliner Symphoniker leidenschaftlich und mit großem Einsatz. Das war keine amerikanische Postkartenidyllik, sondern das pralle Leben: stürmend und wogend. Zwei Zugaben gewährte das Orchester: eine stille, ausdrucksvolle Streicherelegie von Grieg und Mozarts Ouvertüre zu "Die Hochzeit des Figaro". So explosiv gespielt, machte diese Lust, auch das zweite Konzert er Berliner zu besuchen, wo Mozarts "Jupiter-Sinfonie" auf dem Programm stand.